Lehrstuhl-Special: Lehrstuhl für Digitale Übertragung (IDC)
Was genau sind dann die Forschungsschwerpunkte am IDC?
Robert Schober: Unsere Forschungsschwerpunkte lassen sich in drei Kategorien einteilen:
- Mobilfunksysteme der nächsten Generation
Der Mobilfunk ist ein zentrales und klassisches Forschungsfeld der Nachrichtentechnik. Hier denkt man meist von einer Generation zur nächsten. So wird zum Beispiel im Moment die 5. Generation der Mobilfunksysteme von der Industrie in das bestehende Mobilfunknetz integriert. Somit ist die universitäre Forschung daran weitgehend abgeschlossen und wir machen uns in verschiedenen Projekten Gedanken darum, wie die 6. Generationen aussehen könnte. Das ist eine sehr spannende Zeit, da es viele neue Ideen gibt (z.B. das großflächige Einbringen von intelligenten reflektierenden Oberflächen in die Funkumgebung, das Erschließen von Frequenzen im THz-Bereich für die Kommunikation, drohnenbasierte Kommunikationssysteme, die Integration von Kommunikations- und Radarsystemen und der Einsatz von maschinellem Lernen beim Entwurf und Betreiben von Kommunikationsnetzen), die den Mobilfunk revolutionieren werden.
- Molekulare und biologische Kommunikationssysteme
In den letzten Jahren hat es ein zunehmendes Interesse an Kommunikationssystemen mit Sendern und Empfängern mit Nanometerabmessungen und deren Integration in biologische Systeme gegeben. Mögliche Anwendungen sind z.B. die Kommunikation mit medizinischen Nano-Robotern in der Blutbahn oder Kommunikationsersatzsysteme, die die Aufgaben von beschädigten Nervenzellen übernehmen können. Man spricht hier auch vom „Internet-of-Bio-Nano-Things“ und versteht darunter ein System, das die Kommunikation mit einzelnen Organen oder sogar einzelnen Zellen im Körper erlaubt. Herkömmliche Kommunikationskonzpete, die auf elektromagnetischen Wellen beruhen, sind hier nicht anwendbar. Stattdessen eignen sich Konzepte, wie man sie in biologischen Systemen findet, wo Information oft mit Hilfe von Molekülen übertragen wird. Am IDC forschen wir seit einigen Jahre intensiv an molekularen Kommunikationssystemen. Dabei arbeiten wir eng mit Kollegen aus der Biologie, Medizin, Geruchsforschung und Bioverfahrenstechnik zusammen. Die Interdisziplinarität und die vollkommen neue Form der Kommunikation machen die Arbeit an diesem Forschungsthema besonders spannend.
- Neue mathematische Methoden für die Nachrichtentechnik
Mathematische Methoden spielen in der Nachrichtentechnik eine zentrale Rolle. Oft sind die technologischen Fortschritte eng mit der mathematischen Weiterentwicklung des Fachgebiets verknüpft. Deshalb ist es für die nachrichtentechnische Grundlagenforschung sehr wichtig, ständig neue, in der Mathematik oft schon bekannte, Werkzeuge zu erschließen und dann gezielt für die nachrichtentechnische Anwendungen weiterzuentwickeln. Ein Beispiel hierfür ist die Theorie von Zufallsmatrizen, die sich als sehr effektives Werkzeug für die Analyse und den Entwurf von Kommunikationssystemen mit sehr vielen Sende- und Empfangsantennen (sog. Massive MIMO-Systemen), wie sie in Mobilfunksystemen der 5. Generation zum Einsatz kommen, erwiesen hat. Ein weiteres Beispiel sind konvexe und nichtkonvexe Optimierungsverfahren, die heute die gezielte Ressourcenoptimierung in der Nachrichtentechnik erlauben. Diese und andere mathematische Methoden, wie „Compressive Sensing“, stochastische Geometrie und maschinelles Lernen, waren vor zehn Jahren in der Nachrichtentechnik weitgehend unbekannt, bilden heute aber einen zentralen Bestandteil der Forschung und Weiterentwicklung des Fachgebiets.
Könnten Sie den Bezug zwischen Ihrem Forschungsthema und der Alltagswelt vielleicht noch einmal genauer erläutern?
Robert Schober: Die Errungenschaften der modernen Nachrichtentechnik begegnen uns Tag täglich. Beispiele sind das allgegenwärtige Smart Phone und seine ständig erweiterten Fähigkeiten, die Bilder von der Landung der NASA-Sonde „Perseverance“ auf dem Mars und die vielen am Internet angebundenen Sensoren- und Aktoren des Internet-of-Things. In der Zukunft ist zu erwarten, dass die molekulare Kommunikation völlig neuartige medizinische Anwendungen erschließen und ebenfalls ein integraler Bestandteil unseres Lebens werden wird.
Zum Schluss noch eine Frage für all diejenigen, die auch in die Welt der Nachrichtentechnik eintauchen möchten. Wie kommt man als Studierende(r) denn mit dem IDC in Kontakt?
Robert Schober: Die relevanten Studiengänge sind Elektrotechnik (EEI), Informations- und Kommunikationstechnik (IuK), oder die entsprechende Spezialisierung auf Informationstechnik bei den Wirtschaftsingenieuren (WING). Auf dem Master-Level wären es dann die Studiengänge Communications and Multimedia Engineering (CME) und der Elitestudiengang Advanced Signal Processing and Communications Engineering (ASC).
Die Vorlesungen des IDC decken das gesamte Gebiet der Nachrichtentechnik ab. Das beginnt im 5. Semester mit der Grundlagenvorlesung Nachrichtentechnische Systeme, erstreckt sich über viele weitere Grundlagenvorlesungen, wie z.B. Digitale Übertragung, Informationstheorie, Kanalcodierung, und Maschinelles Lernen in der Nachrichtentechnik, bis hin zu einer Vielzahl von Spezialvorlesungen, wie z.B. Molekulare Kommunikation, Vorlesungen zu den 4. und 5. Mobilfunkgenerationen, Optische Kommunikationsnetze, und sowie Konvexen Optimierungsmethoden in der Nachrichtentechnik und Signalverarbeitung. Darüber hinaus bieten wir natürlich auch Seminare, Praktika, Forschungsprojekte sowie Bachelor- und Masterarbeiten an.
Lieber Herr Schober, vielen Dank für den spannenden Einblick und herzlichen Dank für das Interview!
Aktuelle Forschungsprojekte
Schon gewusst? Neben zahlreichen Einzelprojekten ist der IDC auch an mehreren Großprojekten beteiligt:
- Modeling, Optimization, and Hardware Design of Intelligent Reflecting Surface Assisted Wireless Communication Systems (gemeinsames DFG-Projekt mit LHFT und LTE zur Konzeption neuartiger, auf intelligenten reflektierenden Oberflächen basierender Kommunikationssysteme)
- 6G-RIC (BMBF-Projekt zum Entwurf von Kommunikationssystemen der 6. Generation, gemeinsam mit Kollegen des Heinrich Hertz Instituts in Berlin, der TU Berlin, TU Braunschweig, RWTH Aachen und einigen anderen Universitäten und Forschungseinrichtungen).
- Optimal Resource Allocation for Drone Based Radar Systems (Projekt im DFG-Graduiertenkolleg “KoRaTo”, gemeinsam mit Kollegen der Universität Ulm und FAU)
- Protocols and Algorithms for Energy-Efficient Reference Signal and EMG Senor Data Transmission with Local Energy Harvesting (Projekt im DFG-Sonderforschungsbereich “Empkins”, gemeinsam mit Kollegen aus der EEI, AIBE und der medizinischen Fakultät)
- Modelling, Design, and Implementation of Molecular Communication Systems – Phase 2: Media-Modulation based Molecular Communication (gemeinsames DFG-Projekt mit Kollegen aus der Bioverfahrenstechnik und Biologie zum Entwurf eines neuen molekularen Kommunikationssystems)
- Macroscopic Molecular Communications (MAMOKO, BMBF-Projekt zum Entwurf von molekularen Kommunikationssystemen, gemeinsam mit Kollegen der FAU, TU München, TU Kaiserslautern, TU Berlin, und U Kiel).
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