#Forschungsspecial: Annika Briegleb arbeitet an der Sprachsignalverbesserung durch neuronale Netzwerke

Annika Briegleb und NAO im Audiolabor des Departments (Foto: Briegleb)
Annika Briegleb und NAO im Audiolabor des Departments (Foto: Briegleb)

Mit #Forschungsspecial bieten wir Doktorandinnen und Doktoranden unseres Departments die Möglichkeit, ihre Forschungsthemen einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Zum Abschluss des Jahres 2022 haben wir Annika Briegleb vom Lehrstuhl für Multimediakommunikation und Signalverarbeitung (LMS) interviewt. Sie engagiert sich als Frauenbeauftragte und forscht am Thema „Sprachsignalverbesserung mit neuronalen Netzwerken“ – und was das für unseren Alltag bedeutet, erzählt sie uns in diesem Interview.

Kurzinfo:

Name: Annika Briegleb

Lehrstuhl: Lehrstuhl für Multimediakommunikation und Signalverarbeitung (LMS)

Forschungsgebiet: Sprachsignalverbesserung mit neuronalen Netzwerken

 

Liebe Frau Briegleb, bevor wir ins Forschungsthema und Ihr Engagement als Frauenbeauftragte einsteigen – könnten Sie uns ein bisschen über sich erzählen? Wie sind Sie hierher an die FAU gekommen?

 

Annika Briegleb: Ich wusste, dass ich ein MINT-Fach studieren möchte, doch die Entscheidung für ein Fachgebiet fiel mir sehr schwer. Daher war ich froh, an der TU München den Bachelorstudiengang Ingenieurwissenschaften zu finden, welcher es ermöglicht, sich die Grundlagen aller Ingenieurwissenschaften anzusehen, bevor man sich im Hauptstudium für eine Fachrichtung entscheidet. Durch die sehr breite Grundausbildung hat mir dann aber die Spezialisierung für ein konkretes Fachgebiet gefehlt, sodass klar war, dass ich einen Master studieren möchte. Da ich kein Großstadtmensch bin, habe ich mich für den Master auch an anderen Universitäten in kleineren Städten umgesehen und habe in Erlangen den neuen Studiengang Advanced Signal Processing and Communications Engineering gefunden. Dieser hat von der Ausrichtung gut zu meinen Wahlfächern im Bachelor gepasst und hat mich besonders durch die gute Betreuung durch einen zugewiesenen Mentor und die flexiblen Forschungsprojekte überzeugt.

Am Ende meines ersten Mastersemesters hatten wir die Möglichkeit den NAO Roboter des LMS in Aktion zu erleben. Das hat mich so fasziniert, dass ich im nächsten Semester als HiWi am Lehrstuhl angefangen habe und – nach einem von meinem betreuenden Professor organisierten Auslandsaufenthalt für ein Forschungsprojekt – auch meine Masterarbeit am LMS (und mit NAO) geschrieben habe. Da mir meine Masterarbeit große Freude bereitet hat, habe ich gerne zugesagt, als mir eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin angeboten wurde. Diese habe ich im Mai 2019 angetreten.

 

Wie sind Sie genau zu Ihrem heutigen Forschungsthema gekommen und was fasziniert Sie so daran?

 

Annika Briegleb: Das war eher zufällig über meinen HiWi-Job. Die Audiosignalverarbeitung gefällt mir, da man durch Anhören des Signals direkt einschätzen kann, ob die angewendete Methode funktioniert oder nicht. Das empfinde ich im Vergleich zu anderen Sensorsignalen als sehr hilfreich, da wir als Menschen einen intuitiven Zugang zu Audio und Sprache haben. Außerdem gefällt mir, dass Algorithmen der Audiosignalverarbeitung z.B. in Hörgeräten zum Einsatz kommen und so direkt das Leben von Menschen mit Hörbeeinträchtigung verbessern können.

Ich arbeite in der Sprachsignalverbesserung mit neuronalen Netzwerken. Konkret bedeutet dies, dass ich Methoden des maschinellen Lernens entwickle und untersuche, mit dem Ziel aus verrauschten Audiosignalen, also z.B. bei Telefonaten in einer lauten Umgebung, das gewünschte Sprachsignal hervorzuheben, ohne dessen Qualität zu beeinträchtigen. So kann der Sprecher besser verstanden werden und die Kommunikation wird erleichtert. In Zeiten der allgegenwärtigen Telefon- und Videokonferenzen können sich vermutlich die meisten etwas unter dieser Anwendung vorstellen. Natürlich gibt es schon viele gut funktionierende Methoden in diesem Bereich. Mit neuronalen Netzwerken erhoffen wir uns aber auch besonders schwierige Szenarien bearbeiten zu können, z.B. wenn der Zielsprecher beinahe nicht mehr hörbar ist.

Neuronale Netzwerke haben in den letzten 10 Jahren einen neuen Aufschwung erlebt und werden schon in vielen Anwendungen eingesetzt. In der Presse werden diese Methoden oft mit künstlicher Intelligenz betitelt, aber eigentlich handelt es sich um datengetriebene Algorithmen. Das bedeutet, dass das Netzwerk aus vielen Beispielen lernt, welche Aufgabe es erfüllen soll. Somit sind diese Methoden oft sehr rechenintensiv und es ist an vielen Stellen noch unklar, was genau das Netzwerk lernt. Ich erhoffe mir mit meiner Forschung einen Beitrag zum besseren Verständnis dieser Methoden in der Sprachsignalverbesserung zu liefern, damit sie gezielt für schwierige Anwendungen eingesetzt werden können.

 

Wie muss ich mir Ihren Forschungsalltag dann genau vorstellen? Wie sieht die Arbeit an Ihrer Dissertation so ganz allgemein betrachtet aus?

 

Annika Briegleb: Ich arbeite (noch) nicht direkt an meiner Dissertation, sondern habe über die letzten Jahre verschiedene Projekte bearbeitet, deren Erkenntnisse ich anschließend in meiner Dissertation miteinander in Verbindung bringen will. Für meine Forschungsprojekte definiere ich zunächst, welches konkrete Problem bearbeitet werden soll, verschaffe mir einen Überblick über vielversprechende Methoden in der entsprechenden Literatur und identifiziere an welcher Stelle Raum für Verbesserungen ist. Hier greift dann die konzeptionelle Arbeit an, in der ich überlege, wie das Problem am besten angegangen werden kann. Dies ist der herausforderndste Schritt in meiner Arbeit. Basierend auf diesen Überlegungen plane ich dann meine Experimente. Experimentieren bedeutet in diesem Fall programmieren und simulieren. Manchmal machen wir in meiner Arbeitsgruppe auch Mikrofonaufnahmen im Audiolabor oder in unserer hallarmen Kammer. Der abschließende Teil eines Projekts besteht dann aus der Interpretation der Ergebnisse und der Dokumentation. Hier kommt es auf die Art des Projekts an, ob ich einen ausführlichen Bericht für einen Industriepartner schreibe, oder die gesamten Erkenntnisse in 5 Seiten für eine Publikation beschreibe und zusammenfasse. Das Schreiben macht mir besonders Spaß, da sich dabei oft noch neue Zusammenhänge entdecken lassen.

Neben meiner Forschung habe ich noch andere Aufgaben, die meinen Arbeitsalltag definieren. Ein Teil ist die Lehre. So bin ich im Wintersemester für ein Laborpraktikum zuständig und betreue außerdem jedes Semester mehrere Studierende in ihren Projekt- oder Abschlussarbeiten. Ein anderer Teil ist die Gremienarbeit. Ich arbeite seit meiner Einstellung ehrenamtlich als Frauenbeauftragte für das Department EEI.

 

Könnten Sie uns diese Arbeit etwas näher beschreiben? Ich denke, den Begriff „Frauenbeauftragte“ haben schon viele gehört, aber was verbirgt sich denn dahinter? Wie sieht der Alltag aus, wo können Sie konkret einen Beitrag leisten?

 

Annika Briegleb: In dieser Funktion vertrete ich zusammen mit meinen beiden Kolleginnen aus der EEI die Fakultätsfrauenbeauftragte in Studien- und Berufungskommissionen innerhalb unseres Departments. Diese Arbeit liegt mir sehr am Herzen, da es leider immer noch ein großes Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern auf allen Qualifikationsebenen unseres Fachbereichs gibt. So war ich beispielsweise die einzige Frau in meinem Masterstudiengang.

Natürlich muss nicht jede Frau Wissenschaftlerin werden. Aber jede, die es will, sollte die Möglichkeit dazu haben.
Annika Briegleb

An dieser Stelle gibt es leider immer noch strukturelle Probleme, auch wenn sich in den letzten Jahrzehnten schon viel Positives entwickelt hat: Während im gesamten Department EEI im Jahr 2021 nur 15% aller Promotionen von Frauen abgeschlossen wurden, machen bei uns am LMS Frauen inzwischen etwa die Hälfte des wissenschaftlichen Personals auf Promotionsebene aus. Als Frauenbeauftragte habe ich die Möglichkeit, das Bewusstsein für genderrelevante Problematiken zu schärfen und so hoffentlich einen kleinen Beitrag zur Anti-Diskriminierungsarbeit an der FAU zu leisten. Außerdem kann ich bei Veranstaltungen wie dem Girl’s Day Schülerinnen an unserer Fakultät willkommen heißen und ihnen Rede und Antwort stehen, was mir immer viel Spaß macht. Nebenbei kann ich mich in Diskussionen mit den Frauenbeauftragten aller Departments und Fakultäten weiterbilden und wertvolle Kontakte und Freundschaften knüpfen.

 

Liebe Frau Briegleb, wir bedanken uns sehr für Ihr Engagement und natürlich auch für das spannende und interessante Interview!