#Forschungsspecial: Alexander Raab sorgt für ein stabiles Stromnetz

Alexander Raab vom Lehrstuhl für Elektrische Energiesysteme (EES) (Bild: FAU)
Alexander Raab vom Lehrstuhl für Elektrische Energiesysteme (EES) (Bild: FAU)

Mit #Forschungsspecial bieten wir Doktorandinnen und Doktoranden unseres Departments die Möglichkeit, ihre Forschungsthemen einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Für unsere August-Ausgabe hat sich Alexander Raab vom Lehrstuhl für Elektrische Energiesysteme (EES) unseren Fragen gestellt.

 

Kurzinfo:

Name: Alexander Raab

Lehrstuhl: Lehrstuhl für Elektrische Energiesysteme (EES)

Forschungsgebiet:  Simulationsmodelle für Stabilitätsuntersuchungen von HGÜ-Systemen (HGÜ = Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung)

 

Lieber Herr Raab, Sie sind ja ein echtes „Erlanger Eigengewächs“!

Das stimmt. Ich habe meinen Bachelor of Science und meinen Master of Science in Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (EEI) hier an der FAU absolviert. In beiden Studiengängen habe ich mich auf die Vertiefungsrichtung Elektrische Energie und Antriebstechnik spezialisiert.

 

Wie kam es denn zu der Entscheidung, genau diesen Studiengang zu studieren?

Mir war während der Schulzeit schon klar, dass ich Ingenieurswissenschaften oder Physik studieren möchte. Das lag an meinem sehr guten Physiklehrer in der Oberstufe und Qualifikationsphase, der mein Interesse im MINT Bereich geweckt hat. Elektrotechnik war damals aber gar nicht in der engeren Auswahl. Das habe ich im Physik Abitur sogar ausgeschlossen. Ich fand Energietechnik generell aber immer interessant. An unserer Abiturfeier hatte ich ein intensiveres Gespräch mit meinem damaligen Physiklehrer, der mir dann aber doch dazu riet, Elektrotechnik zu studieren, weil man sich dabei auf elektrische Energietechnik spezialisieren kann. So es ist es dann direkt nach dem Abitur auch gekommen und zurückblickend muss ich sagen, dass es die richtige Entscheidung war.

 

Wie hat sich dann Ihr Übergang vom Studenten zum Doktoranden gestaltet?

Ich bin 2014 über eine Bachelorarbeit zum Lehrstuhl für Elektrische Energiesysteme gekommen. Das Thema war damals die Inbetriebnahme eines analogen Simulators für eine klassischen Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ). Ab 2015 arbeitete ich dann als Hilfswissenschaftlicher Mitarbeiter (HIWI) weiter an dem Thema. Da ich während meiner Masterarbeit sehr viel Spaß am forschungsorientiertem Arbeiten hatte, habe ich im November 2017 dankend ein Stellenangebot am Lehrstuhl angenommen.

Meine Masterarbeit beschäftigte sich mit der Regelung und digitalen Simulation von modernen HGÜ-Technologien. Ich habe mich letztendlich während meines gesamten Masterstudiums mit HGÜ-Systemen beschäftigt, weil es eine der Schlüsseltechnologien für eine erfolgreiche Energiewende in Deutschland ist.

 

Sind Sie diesem Forschungsgebiet auch für die Doktorarbeit treu geblieben?

Ja, genau. Mein aktuelles Forschungsthema befasst sich weiterhin mit der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ). Konkret arbeite ich an Simulationsmodellen von HGÜ-Systemen, die für Untersuchungen in weitläufigen elektrischen Energieversorgungsnetzen mit innovativen Betriebsführungskonzepten eingesetzt werden. Dabei untersuche ich den Einfluss von kurativen Netzführungskonzepten in Verbindung mit der HGÜ-Technologie auf die Stabilität des Übertragungsnetzes.

 

Könnten Sie uns den Begriff „HGÜ“ noch etwas genauer erläutern?

Strom ist für uns im Alltag eine Selbstverständlichkeit, aber seine Entstehung und der Weg bis zur Steckdose sind tatsächlich komplex. Strom fließt aus der Steckdose, nachdem er durch die Umwandlung von anderen Energieformen „erzeugt“ wurde. Dies erfolgt in konventionellen Kraftwerken sowie vermehrt in erneuerbaren Energiequellen wie Wind- und Sonnenkraft.

Strom muss manchmal über weite Strecken transportiert werden, um von den Erzeugungsorten zu den Verbrauchszentren zu gelangen. Dabei kann die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) Abhilfe schaffen.

Echtzeitmodell eines HGÜ-Systems für Online-Simulationen (Bild: Raab)
Echtzeitmodell eines HGÜ-Systems für Online-Simulationen (Bild: Raab)

Die HGÜ-Technologie ermöglicht es, Strom effizient bzw. mit geringen Übertragungsverlusten über große Entfernungen zu transportieren. Man kann dadurch aber auch aktiv Leistungsflüsse im Netz steuern. Dadurch lassen sich Überlastungen von einzelnen Betriebsmitteln im Einflussradius gezielt entlasten. HGÜ-Systeme ermöglichen den effizienten Transport von elektrischer Energie über weite Distanzen, zum Beispiel von Off-Shore-Windparks im Norden Deutschlands in den Süden. Dabei wird der Wechselstrom über sogenannte Umrichter in Gleichstrom umgewandelt, mit relativ geringen Verlusten über weite Distanzen transportiert und nach einer Rückumwandlung in Wechselstrom wieder in unser Drehstromsystem eingespeist.

 

Wie lassen sich große Anlagen denn eigentlich untersuchen?

In einem Verbundnetz wie dem Europäischen werden Offline- und Online-Simulationen verwendet, um die Stabilität des Stromnetzes sicherzustellen und sog. „Blackouts“ zu vermeiden. Simulationen sind dabei unerlässlich, da echte Tests in diesem großen Umfang nicht praktikabel sind. Bei den Online-Simulationen helfen moderne Computer dabei das Verhalten der Regelungen und Steuerungen neuer Betriebsmittel unter realen Bedingungen zu testen. Die Offline-Simulationen hingegen kommen in der Planung und Führung von elektrischen Energieversorgungssystemen zum Einsatz. Sie spielen vor allem bei der Untersuchung der Stabilität in großen Netzen eine wichtige Rolle.

Unser elektrisches Energieversorgungssystem wird dynamischer. Deshalb ist es besonders wichtig, genaue Simulationen mit detaillierten Modellen durchzuführen, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten und eine zuverlässige Energieversorgung sicherzustellen.

 

Welche Rolle spielt Ihre Doktorarbeit in diesem Zusammenhang, das heißt, welche Forschungsergebnisse erhoffen Sie sich von Ihrer Arbeit?

Das Ziel meiner Forschung ist es, detaillierte Modelle einzelner Betriebsmittel in Simulationsumgebungen zu integrieren, die in der Betriebsführung oder Betriebsplanung von elektrischen Energieversorgungsnetzen verwendet werden. Dadurch können die Interaktionen zwischen herkömmlichen Kraftwerken und HGÜ-Systemen in großen elektrischen Energieversorgungsnetzen für neue Systemführungskonzepte untersucht und zuverlässige Aussagen über die Stabilität verschiedener Betriebspunkte getroffen werden.

Das erhoffte Ergebnis ist eine fundierte Grundlage für die Entwicklung neuer Systemführungskonzepte, unter der Berücksichtigung der Flexibilität von HGÜ-Systemen. Diese Konzepte sollen die Effizienz, Stabilität und Sicherheit des Stromnetzes verbessern und gleichzeitig den wachsenden Einsatz erneuerbarer Energien berücksichtigen. Dadurch soll die Zuverlässigkeit weiter optimiert werden um damit eine nachhaltige Energieversorgung für die Zukunft zu gewährleisten.

 

Das hört sich sehr spannend an! Wie sieht denn, ganz allgemein gesprochen, Ihr Arbeitsalltag als Doktorand aus?

Zunächst gilt es natürlich den Stand der Technik zu recherchieren. Dabei kommt man natürlich nicht drum herum viel Literatur und Veröffentlichungen in verschiedenen Themengebieten zu lesen und auch nachzuvollziehen. Häufig stellen aber auch Industrie- oder öffentlich geförderte Projekte die Grundlage für die Dissertation dar. Diese haben meistens das Ziel gewisse Forschungsfragen zu beantworten und können einen groben Rahmen für ein Thema vorgeben. Je nach Thema kommen dabei auch verschiede Experimente zum Einsatz. Das ist bei uns vor allem im Fachbereich Hochspannungstechnik und in unserem Speicherlabor der Fall. Dort wird teilweise mit realen Anlagen und hohen Spannungen gearbeitet. In meinen Fall beschränken sich die Experimente auf digitale Simulationen, da man eben nicht einfach mal so einen Kurzschluss im Höchstspannungsnetz anlegen oder Freileitungen und Kabel trennen kann um zu schauen was passiert. Wir wollen ja nicht, dass wir am Ende im Dunkeln stehen (lacht).

 

Das stimmt! Lieber Herr Raab, vielen Dank für dieses spannende Interview!